Beratung auf Augenhöhe: Intersubjektivität und ko-kreative Prozesse für nachhaltige Lösungen

In der Beratungspraxis sind Ansätze gefragt, die weit über klassische Modelle hinausgehen – solche, die den Klienten nicht nur als Empfänger von Lösungen betrachten, sondern ihn als aktiven, gleichwertigen Partner in den Prozess einbeziehen. Der Ansatz der Beratung auf Augenhöhe setzt hier an und legt den Fokus auf Intersubjektivität und ko-kreative Prozesse. Diese Methoden verlangen von Beratern und Beraterinnen eine Haltung, die auf echtem gegenseitigem Verständnis, Verantwortung und Zusammenarbeit basiert. Doch was bedeutet das konkret für die Praxis und warum ist es so wertvoll? Darum geht es in diesem Blogbeitrag.

Intersubjektivität: Der Raum für gemeinsame Wahrnehmung

Intersubjektivität bezeichnet das wechselseitige Verstehen und Anerkennen der Perspektiven von Klienten und Beratern. In einer klassischen Beratung gilt der Berater oft als Experte im Gespräch und übernimmt die zentrale Rolle bei der Lösungsfindung. In einem intersubjektiven Ansatz hingegen ist der Berater nicht mehr nur der Lösungsanbieter, sondern auch derjenige, der aktiv zuhört, sich auf die Perspektive der Klienten einlässt und gemeinsam mit ihnen neue Einsichten entwickelt. Dies stellt eine hohe Anforderung an die Verantwortung der Beraterinnen. Sie müssen die Klientenperspektive tatsächlich einnehmen, die eigenen Annahmen und Urteile hinterfragen und eine Atmosphäre schaffen, in der sich Klienten verstanden und respektiert fühlen. Diese Verantwortungsübernahme bedeutet, die Klienten nicht nur als „Problem“ zu sehen, sondern als Personen, die über tiefgehende Ressourcen und Lösungen verfügen, die nur gemeinsam entdeckt werden müssen.

Ko-kreative Prozesse: Gemeinsame Lösungen entwickeln

Die Idee der Ko-Kreation erweitert dieses Konzept und bringt die Zusammenarbeit zwischen Beratern und Klienten auf eine neue Ebene. Hier sind beide Parteien gleichwertig in den Prozess eingebunden: Der Berater gibt Impulse, stellt Fragen und bietet Werkzeuge an, doch die Lösung entsteht immer im Dialog. Ko-kreative Prozesse setzen darauf, dass die Klienten aktiv an der Formulierung und Umsetzung von Lösungen beteiligt sind. Der Berater ist nicht mehr der „Allwissende“, sondern ein Begleiter, der die Klienten in ihren kreativen Entfaltungsprozessen unterstützt. In dieser Art der Beratung übernimmt der Berater die Verantwortung, die Bedingungen für kreative Zusammenarbeit zu schaffen. Dazu gehört es, die Klienten zu motivieren, eigene Ideen und Lösungen zu entwickeln und diese in einem sicheren, offenen Rahmen zu erkunden. Der Berater wird zum Partner, der den Raum für neue Perspektiven eröffnet und mit den Klienten gemeinsam mögliche Lösungen erarbeitet, anstatt diese vorzugeben.

Verantwortung in der Beratung auf Augenhöhe

Die Verantwortung, die in der Beratung auf Augenhöhe übernommen wird, ist vielschichtig. Sie umfasst nicht nur die Verantwortung für das Gespräch selbst – etwa für eine respektvolle Kommunikation und eine wertschätzende Haltung –, sondern auch für die Unterstützung des Klienten, eigene Lösungen zu finden. Die Beratenden müssen ihre Rolle als Experten hinterfragen und sich stärker als Begleiter verstehen, der nicht „alle Antworten hat“, sondern gemeinsam mit dem Klienten in einem Dialog auf Augenhöhe Lösungen entwickelt. In einem ko-kreativen Prozess ist der Beratungsweg nicht vorgezeichnet; er entwickelt sich dynamisch im Austausch. Der Berater muss daher die Verantwortung übernehmen, den Prozess zu steuern und gleichzeitig den Raum für die Kreativität und die individuellen Lösungen des Kunden zu wahren.

Warum sind Intersubjektivität und Ko-Kreation so wertvoll?

1. Vertieftes Verständnis und Vertrauen: Wenn Berater aktiv in die Perspektive des Klienten eintauchen und ihm oder ihr die Möglichkeit geben, eigene Lösungen zu entwickeln, entsteht eine tiefere Verbindung. Vertrauen wächst, da der Klient merkt, dass er ernst genommen wird und dass seine Stimme in der Beratung zählt.

2. Individuelle Lösungen statt Standardantworten: Durch die intersubjektive Herangehensweise und den ko-kreativen Prozess können maßgeschneiderte Lösungen entstehen, die die spezifischen Bedürfnisse und Ressourcen des Klienten berücksichtigen. Standardisierte Lösungen werden so vermieden, was zu nachhaltigen und effektiveren Ergebnissen führt.

3. Empowerment des Klienten: Der Klient wird aktiv in den Prozess eingebunden und übernimmt Verantwortung für seine eigenen Lösungen. Dies stärkt seine Selbstwirksamkeit und fördert die Entwicklung von Eigenkompetenz – eine wesentliche Voraussetzung für dauerhafte Veränderung.

4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Beraterinnen müssen sich nicht nur auf die Inhalte der Beratung einstellen, sondern auch auf die Dynamik des Gesprächs und die Bedürfnisse des Klienten. Flexibilität und eine adaptive Haltung sind entscheidend, um die Verantwortung für einen respektvollen und zielführenden Prozess zu übernehmen.

Wie lassen sich Intersubjektivität und Ko-Kreation praktisch umsetzen?

  • Aktives Zuhören und reflektierendes Fragen: Um Intersubjektivität zu fördern, ist es entscheidend, dass der Berater dem Klienten wirklich zuhört und dessen Perspektive in den Mittelpunkt stellt. Durch gezielte Fragen und Reflexionen kann der Klient ermutigt werden, tiefer in seine Gedanken und Gefühle einzutauchen.
  • Empathie als Grundhaltung: Empathie ist die Basis jeder erfolgreichen Beratung auf Augenhöhe. Der Berater muss die emotionale Lage des Kunden verstehen und wertschätzen, ohne zu urteilen. So entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, die den Beratungsprozess fördert.
  • Gemeinsame Entwicklung von Lösungen: Beraterinnen können kreative Techniken wie Brainstorming, Mindmapping oder Visualisierungen einsetzen, um gemeinsam mit dem Klienten neue Lösungsansätze zu entwickeln. Diese Methoden bieten den Raum, Ideen auszuprobieren und weiterzuentwickeln.
  • Feedback und kontinuierliche Reflexion: Ein kontinuierlicher Austausch über die Fortschritte und Erfahrungen ist wichtig, um den Prozess in die richtige Richtung zu lenken. Feedback hilft dabei, die Perspektiven aller zu integrieren und den Prozess zu verfeinern.

Verantwortung als Schlüssel zu erfolgreicher Beratung auf Augenhöhe

Die Kombination von Intersubjektivität und ko-kreativen Prozessen führt zu einer Beratung, die tiefgreifender, respektvoller und individueller ist. Berater übernehmen die Verantwortung, den Klienten als gleichwertigen Partner zu sehen und gemeinsam mit ihm Lösungen zu erarbeiten. Diese Art der Zusammenarbeit stärkt nicht nur das Vertrauen, sondern ermöglicht auch die Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Die Verantwortung, den Klienten den Mittelpunkt zu stellen und kreative Prozesse zu fördern, führt zu einer Beratung, die sowohl den Klienten als auch die Beraterinnen bereichert und langfristige Wirkung zeigt.

Um die eigene Haltung und Praxis im Hinblick auf Intersubjektivität und ko-kreative Prozesse zu hinterfragen und zu vertiefen, können folgende Reflexionsfragen hilfreich sein:

  1. Wie gut gelingt es mir in meiner Beratungspraxis, eine Haltung der echten Intersubjektivität einzunehmen?
    Inwiefern kann ich die Perspektiven, Erfahrungen und Gefühle des Klienten als gleichwertig wahrnehmen und wie schaffe ich bewusst Raum, damit sich ein Klient als aktiver Teil des Beratungsprozesses erlebt?
  2. In welchem Maß bin ich bereit, die Verantwortung für den Prozess mit dem Klienten zu teilen und ihn als Partner in die Lösungsfindung einzubeziehen?
    Wie gestalte ich meine Rolle: Übernehme ich die Rolle eines „Experten“, der Antworten liefert, oder eher eines Begleiters, der die Autonomie des Klienten fördert und eben auch seine eigenen Erfahrungen zur Verfügung stellt?
  3. Welche konkreten Methoden und Techniken setze ich ein, um ko-kreative Prozesse zu fördern, und wie gut passen diese zum individuellen Bedarf des Klienten?
    Welche Werkzeuge setze ich bereits ein, um ko-kreative Zusammenarbeit zu ermöglichen? Kann ich diese flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse und Ressourcen meiner Klienten anpassen?

Basisausbildung in Transaktionsanalyse: Intersubjektivität und ko-kreative Prozesse erlernen

Wenn Sie als Berater oder Beraterin lernen möchten, wie Sie Intersubjektivität und ko-kreative Prozesse in Ihre Arbeit integrieren können, ist eine fundierte Ausbildung in Transaktionsanalyse (TA) eine gute Wahl. Die TA bietet nicht nur wertvolle Werkzeuge für die Analyse und Verbesserung von Kommunikationsprozessen, sondern fördert auch ein tiefes Verständnis für zwischenmenschliche Dynamiken und Intersubjektivität. Die Basisausbildung in Transaktionsanalyse ist der ideale Einstieg, um diese Konzepte zu erlernen. Sie bietet eine fundierte theoretische Grundlage und praxisorientierte Ansätze, die speziell für die Arbeit in der Beratung und im Coaching entwickelt wurden. In einer TA-Ausbildung lernen Sie, wie Sie Ihre eigene Wahrnehmung schärfen, Ihre Rolle als Beraterin reflektieren und interaktive, ko-kreative Prozesse mit Ihren Klienten fördern können.

Für mehr Informationen:

Literatur zu Intersubjektivität und Ko-Kreation:

  • Schmidt, A. (2017). Intersubjektivität und Beratung – Neue Wege der Zusammenarbeit. Verlag für angewandte Psychologie.
  • Biermann, J. (2015). Empathie in der Beratung: Intersubjektive Begegnungen in der psychologischen Praxis. Kohlhammer Verlag.
  • Czerny, M. (2018). Ko-Kreation in der Beratung: Gemeinsame Lösungen entwickeln. Springer VS.
  • Gergen, KJ (2015). Die Ko-Kreation von Bedeutung: Eine soziale Konstruktion von Beratung und Psychotherapie. Campus Verlag.

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