Lernen ohne Beschämung: Eine positive Herangehensweise für persönliches Wachstum

In fast allen Bundesländern sind nun Sommerferien: Zeit für Erholung und Entspannung, für das Feiern von Lernerfolgen und um Kraft für das neue Schuljahr zu tanken. Für manch einen Schüler oder Schülerin mag das vergangene Schuljahr vielleicht nicht ganz so einfach gewesen sein, weil Lernerfahrungen schwierig oder die Lernumgebung nicht immer förderlich waren. Lernen ist ein lebenslanger Prozess – der sich nicht nur auf den Schulkontext bezieht, sondern auf unser ganzes Leben. Er ermöglicht uns immer wieder, neue Fähigkeiten zu entwickeln, Wissen zu erweitern und uns persönlich zu verändern. In unserem Leben sind wir ständig mit neuen Herausforderungen und Möglichkeiten konfrontiert, die uns die Chance bieten, weiterzukommen.


Doch allzu oft werden wir von uns selbst oder anderen durch Beschämung blockiert und ausgebremst. Das Lernen von neuen Dingen kann mit Gefühlen der Beschämung verbunden sein. Die Angst vor Fehlern, die Sorge, als unwissend angesehen zu werden, und die Scham über vermeintliche Schwächen können unseren Lernprozess beeinträchtigen. Dieser Blogartikel beschäftigt sich mit der Bedeutung des Lernens ohne Beschämung und zeigt Möglichkeiten auf, wie wir einen Umgang mit Beschämung finden und uns frei entfalten können.

Was ist Beschämung?

In der Tat ist Beschämung eine komplexe und unangenehme Emotion, die entsteht, wenn wir das Gefühl haben, dass unser Verhalten, unsere Handlungen oder unsere Persönlichkeit negativ bewertet oder abgelehnt werden. Es ist das Ergebnis eines sozialen Vergleichs, bei dem wir uns selbst als minderwertig oder unzureichend empfinden und das Gefühl haben, nicht den Erwartungen anderer oder unseren eigenen zu entsprechen. Beschämung kann sowohl von anderen Menschen ausgelöst werden, zum Beispiel durch Kritik, Herabsetzung oder Spott, als auch von uns selbst, indem wir uns mit anderen vergleichen und uns selbst als schlechter bewerten. Beschämung hängt nicht unbedingt mit objektiver Realität oder tatsächlichen Fehlern oder Mängeln zusammen. Sie ist vielmehr eine subjektive, emotionale Erfahrung.

Die Auswirkungen von Beschämung auf das Lernen

Wenn wir Beschämung erleben, dann hat dies meist nicht unerheblichen Einfluss auf unsere Lernprozesse – es hindert uns daran unser volles Potenzial auszuschöpfen. Wir haben möglicherweise Angst vor Fehlern, die uns davon abhält, neue Dinge auszuprobieren oder Risiken einzugehen. Dadurch verpassen wir wertvolle Lernchancen. Eine Folge von Beschämung kann dabei auch sein, dass unsere Kreativität und die Bereitschaft, innovative Ideen zu teilen beeinträchtigt wird. Aus Angst vor Ablehnung oder negativer Bewertung halten wir unsere Meinung eher zurück. Wenn wir uns ständig beschämt fühlen, leidet unser Selbstvertrauen. Dies führt dazu, dass wir uns selbst unterschätzen und unsere Fähigkeiten in Frage stellen.

Der Weg zu einem beschämungsfreien Lernen

Wie gelingt es uns nun, dass wir vor allem uns selbst und andere nicht durch negative Denkmuster, Bewertungen oder verletzende Worte demotivieren? In der Transaktionsanalyse (TA) nutzen wir das Strukturmodell der Persönlichkeit mit den drei ICH-Zuständen: Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kind-Ich. Wenn wir über Lernen ohne Beschämung nachdenken, bietet es uns ein hilfreiches Werkzeug in dem Bewusstwerden und der Reflexion für den Umgang mit uns selbst und anderen.

1. Das Erwachsene-Ich: Das Erwachsene-Ich ist der Teil von uns, der analytisch und vernünftig denkt. Es ermöglicht uns, objektiv auf Situationen zu reagieren, ohne von Emotionen oder alten Verhaltensmustern überwältigt zu werden. Indem wir unser Erwachsenen-Ich aktivieren, können wir uns von negativen Selbsturteilen befreien und konstruktive Lösungen finden.
2. Ich-zu-Eltern: Hierbei geht es um die Art und Weise, wie wir uns selbst kritisieren und unsere inneren Elternfiguren uns bewerten lassen. Wenn wir uns bewusst machen, welche alten Muster und Stimmen aus der Vergangenheit in unserem Kopf mitschwingen, können wir uns von destruktiven Gedankenmustern lösen und uns fördernde innere Dialoge aufbauen.
3. Ich-von-Eltern: Dieses Element betrifft unsere Wahrnehmung und Bewertung von anderen Menschen, insbesondere Lehrer und Lehrerinnen, Mentoren oder Eltern. Vorausgesetzt wir werden uns der Ich-von-Eltern-Reaktionen bewusst, können wir verstehen, warum uns bestimmte Kommentare oder Rückmeldungen besonders berühren. Hierdurch erlangen wir die Fähigkeit, konstruktive Rückmeldungen anzunehmen und Beschämung von anderen nicht zuzulassen.
4. Das Freie Kind: Das Freie Kind repräsentiert unsere Kreativität, Begeisterung und Neugier. Es bringt uns dazu, ohne Angst vor Fehlern zu experimentieren und zu lernen. Sobald wir unser Freies Kind in den Lernprozess integrieren, geben wir uns selbst die Erlaubnis, uns spielerisch auszuprobieren und neues Wissen zu entdecken.

Praktische Tipps zum Umgang mit Beschämung

Betrachten wir Fehler und Herausforderungen grundsätzlich als natürliche Bestandteile des Lernens und der persönlichen Entwicklung, dann können wir unsere Gedanken und unsere innere Kommunikation bewusst lenken. In Anlehnung an die ICH-Zustände aus der TA – ein paar Ideen dazu, wie wir einen Umgang mit Beschämung gestalten können:

  • Selbstreflexion: Identifiziere negative Selbsturteile und Glaubenssätze. Nutze die transaktionsanalytischen ICH-Zustände, um diese Muster zu verstehen und zu verändern.
  • Konstruktiver Dialog: Etabliere einen inneren Dialog, der von Akzeptanz und Ermutigung geprägt ist. Nutze das Erwachsenen-Ich, um rational auf Herausforderungen zu reagieren und dich selbst zu unterstützen.
  • Empathie für andere: Entwickele ein Verständnis für die Ich-von-Eltern-Reaktionen anderer Menschen und trenne diese von deiner Selbstbewertung. Lerne, konstruktive Rückmeldungen zu schätzen und Beschämung abzulehnen.
  • Experimentierfreude: Integriere dein freies Kind in den Lernprozess. Probiere dich aus, sei spielerisch, neugierig und erlaube dir Fehler zu machen.
  • Fortschritte feiern: Erkenne deine Fortschritte und Erfolge, egal wie klein sie auch sein mögen. Lobe dich selbst für deine Bemühungen und bleibe motiviert.

Wenn du Interesse hast, dich mit deiner eigenen Scham auseinander zu setzen, bietet der Tagesworkshop im November eine gute Möglichkeit. Wir freuen uns, wenn du dabei bist.

Unser Ziel: Lernen ohne Angst vor Beschämung und unser Motto dabei: Fehler und Herausforderungen sind Teil des Lernprozesses.

Falls du darüber hinaus Interesse hast, die Transaktionsanalyse näher kennenzulernen und ihre Anwendung in deinem Leben zu entdecken, dann melde dich zu unserem Seminar zur Einführung in die TA an. Es eröffnet dir die Möglichkeit, dich intensiv mit den Grundlagen der Transaktionsanalyse vertraut zu machen und zu lernen, deine eigenen Ich-Zustände zu erkennen und schlussendlich mit Beschämung umzugehen.  

Der nächste Termin: 02. + 03. September 2023, Dauer: 2 Tage, Ort: HISTAP – Große Elbstraße 42, 22767 Hamburg
Hier geht es zur Anmeldung: https://histap.de/events/einfuehrung-in-die-transaktionsanalyse/

Literatur zum Thema:
  • „Scham: die tabuisierte Emotion“ von Stephan Marks
  • „Komplexe Gefühle“ S. 57-68 in „Ressourcenorientierte Transaktionsanalyse“ von Kessel/Raeck/Verres

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