Die Schlussfolgerungsleiter – ein Konzept, wie aus Gedanken und Handlungen werden

Die Welt, in der wir leben, ist komplex und voller Informationen. Tag für Tag treffen wir unzählige Entscheidungen, basierend auf ihnen, was wir wahrnehmen und interpretieren. Doch wie genau kommen wir zu diesen Schlussfolgerungen und wie beeinflussen sie unser Verhalten? Chris Argyris, Havard-Professor, hat ein faszinierendes Konzept entwickelt, das uns dabei hilft, die Mechanismen hinter unseren Gedanken und Handlungen zu verstehen – die „ladder of inference“ oder die Schlussfolgerungsleiter. Um dieses Konzept geht es in diesem Blog-Artikel.

Die Geschichte mit dem Hammer

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann,
hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommen ihm Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

Quelle: Watzlawick, Paul (2007): Anleitung zum Unglücklichsein, S. 37f, Piper Verlag München

Die Schlussfolgerungsleiter ist ein Modell, das den Prozess beschreibt, wie Menschen von Daten zu Schlussfolgerungen gelangen . Chris Argyris (1923–2013), ein amerikanischer Wissenschaftler im Bereich Organisationspsychologie und Managementtheorie, präsentiert dieses Konzept als eine Art mentales Modell, das wir alle nutzen, oft ohne es bewusst zu bemerken. Die Leiter repräsentieren die Stufen, die wir auf unserem Weg von der Beobachtung einer Tatsache bis zu unserer Handlung erklimmen.

Die Sprossen der Leiter:

  1. Beobachtung, Daten sammeln: Alles beginnt mit der Fülle an Informationen, die uns umgibt. Das können Daten, Fakten oder Erfahrungen sein.
  2. Auswahl von Daten: Aufgrund der Informationsflut müssen wir auswählen, welche Daten für uns relevant sind. Dieser Auswahlprozess basiert auf unseren Erfahrungen, Überzeugungen und Werten.
  3. Interpretation: Die ausgewählten Daten werden interpretiert. Dabei fließen unsere persönlichen Erfahrungen und Annahmen ein, was zu einer subjektiven Wahrnehmung führt.
  4. Annahmen: Basierend auf unserer Interpretation machen wir Annahmen über die Situation. Diese Annahmen sind oft implizit und beeinflussen maßgeblich unsere Schlussfolgerungen.
  5. Schlussfolgerungen ziehen: Aufgrund unserer Annahmen ziehen wir Schlussfolgerungen. Diese können rational oder irrational, oder genau fehlerhaft sein.
  6. Glaubenssätze: Die gezogenen Schlussfolgerungen führen zur Bildung von Überzeugungen oder Glaubenssätzen. Diese beeinflussen wiederum unsere zukünftigen Wahrnehmungen und Entscheidungen

Auswirkungen auf unser Verhalten

Das Modell der Schlussfolgerungsleiter verdeutlicht, dass unsere Handlungen nicht nur auf objektiven Daten beruhen, sondern stark von unseren subjektiven Annahmen und Überzeugungen geprägt sind. Dieser Prozess kann zu Missverständnissen führen, da verschiedene Menschen aufgrund ihrer individuellen Leitern zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen können.

Anwendung in der Praxis

Wenn wir die Schlussfolgerungsleiter bewusst anwenden, kann sie uns dabei helfen, effektiver zu kommunizieren und besser mit anderen zusammenzuarbeiten. Indem wir unsere eigenen Annahmen und Überzeugungen reflektieren und offen mit anderen darüber sprechen, können wir Missverständnisse reduzieren und zu einer gemeinsamen Perspektive gelangen. Hier sind einige praktische Schritte, wie das Modell in verschiedenen Lebensbereichen angewendet werden kann:

  1. Sammle bewusste Daten:
    • Nehme dir Zeit, um Daten und Informationen bewusst zu sammeln, bevor du Schlussfolgerungen ziehst.
    • Vermeide es, voreilige Schlüsse aufgrund unvollständiger oder verzerrter Informationen zu ziehen.
  2. Reflektiere deine Auswahl von Daten:
    • Frage dich, warum du bestimmte Informationen als relevant erachtest. Welche Faktoren beeinflussen deine Auswahl dabei?
    • Sei dir bewusst, dass unterschiedliche Informationen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen können.
  3. Betrachte verschiedene Perspektiven:
    • Versuche, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, um deine Interpretation zu verfeinern.
    • Frage andere nach ihrer Sichtweise, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
  4. Hinterfrage Annahmen:
    • Sei dir deiner eigenen Annahmen bewusst und frage dich, ob sie auf objektiven Fakten oder persönlichen Vorurteilen basieren.
    • Überlege, wie sich deine Annahmen auf deine Schlussfolgerungen auswirken könnten.
  5. Prüfe deine Schlussfolgerungen:
    • Frage dich, ob deine Schlussfolgerungen logisch sind und auf den vorhandenen Informationen basieren.
    • Sei offen für die Möglichkeit, dass deine Schlussfolgerungen überarbeitet werden müssen, wenn neue Informationen auftauchen.
  6. Verbessere Kommunikation:
    • Teile deine Gedanken und Schlussfolgerungen mit anderen, insbesondere wenn es um Entscheidungen in Gruppen geht.
    • Frage nach den Gedanken und Schlussfolgerungen anderer, um ein umfassendes Verständnis zu entwickeln.
  7. Entwickle ein Bewusstsein für Glaubenssätze:
    • Identifiziere deine eigenen Glaubenssätze und Überzeugungen, die deine Denkweise beeinflussen.
    • Überlege, wie diese Glaubenssätze dein Verhalten und deine Entscheidungen beeinflussen könnten.
  8. Reflektiere regelmäßig:
    • Nimm dir regelmäßig Zeit, um deine Denkmuster zu reflektieren und zu überprüfen, ob sie noch angemessen sind.
    • Suche nach Gelegenheiten, aus vergangenen Erfahrungen zu lernen und deine Herangehensweise zu verbessern.

Die Schlussfolgerungsleiter von Chris Argyris bietet einen faszinierenden Einblick in die komplexen Prozesse, die unsere Wahrnehmung und Entscheidungsfindung beeinflussen. Indem wir uns ihrer bewusst werden und sie in unserem täglichen Leben anwenden, können wir nicht nur unsere eigenen Denkmuster besser verstehen, sondern auch zu einer effektiveren und harmonischeren Kommunikation mit anderen gelangen.

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2 Gedanken zu „Die Schlussfolgerungsleiter – ein Konzept, wie aus Gedanken und Handlungen werden“

  1. Schöne und nachvollziehbare Aufbereitung eines knackigen Konzepts. Ich kannte es bisher in dem Dreischritt: Wahrnehmung, Interpretation, Bewertung.

    Hier stecken ein paar mehr Möglichkeiten für Erklärungen drin.

    Danke dafür!

    Antworten

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