Die unsichtbare Last: Sekundäre Traumatisierung bei Pflege- und Adoptiveltern

Am Anfang des Monats fand das Pflegeeltern-Wochenende statt, an dem wir uns mit der Sekundär Traumatisierung von Pflege- und Adoptiveltern beschäftigt haben. Welche praktischen Werkzeuge und Strategien gibt es, um gut für sich selbst zu sorgen, während man sich um traumatisierte Pflegekinder kümmert? In diesem Blogbeitrag gehe ich darauf ein, was eine Sekundär Traumatisierung ist und wie Pflegeeltern sich einen eigenen Selbstschutzplan erarbeiten können.

Pflege- oder Adoptiveltern öffnen ihr Herz und Zuhause für Kinder, die Liebe, Fürsorge und Stabilität brauchen. Sie sind Helden des Alltags, die sich der Herausforderung stellen, Kinder aus schwierigen Situationen annehmen und sie auf ihrem Weg zu einem besseren Leben zu begleiten. Doch hinter dieser selbstlosen Tat verbirgt sich oft eine unsichtbare Last, die manchmal übersehen wird: die Sekundäre Traumatisierung.

Was ist eine Sekundär Traumatisierung?

Sekundäre Traumatisierung tritt auf, wenn eine Person, die regelmäßig mit traumatischen Ereignissen konfrontiert wird, selbst indirekt traumatisiert wird. In der Welt der Pflege- und Adoptiveltern kann dies auf verschiedene Weisen auftreten. Die Kinder, die sie aufnehmen, haben oft traumatische Erfahrungen erlebt, sei es durch Missbrauch, Vernachlässigung, Verlust oder andere traumatische Ereignisse. Das ständige „Zeuge sein“ traumatischer Erfahrungen kann bei Pflege- und Adoptiveltern zu einer Art sekundären Traumatisierung führen.

Ein Hauptmerkmal der sekundären Traumatisierung ist die Entwicklung von Symptomen, die denen der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ähneln können. Dazu gehören Flashbacks, Albträume, Übererregbarkeit, Angstzustände, Depressionen und ein allgemeines Gefühl von Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit. Pflege- und Adoptivkinder können sich selbst in einem ständigen Zustand der Anspannung und des Stresses befinden, während sie versuchen, ihren Kindern zu helfen, mit ihren eigenen Traumata umzugehen.

Die Belastungen, denen Pflege- und Adoptiveltern gegenüberstehen, sind vielfältig. Sie müssen nicht nur die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder erfüllen, sondern auch mit den bürokratischen Hürden des Pflege- und Adoptionsprozesses umgehen, sich möglicherweise mit den leiblichen Eltern auseinandersetzen und oft einen Mangel an Unterstützung seitens der Gesellschaft erfahren. All dies kann zu einem Gefühl der Isolation und Überforderung führen, das die sekundäre Traumatisierung verstärkt.

Sekundäre Traumatisierung ist kein Zeichen von Schwäche! Pflege- und Adoptiveltern sind keine Superhelden, und es ist normal, dass sie von den traumatischen Erfahrungen ihrer Kinder beeinflusst werden. Es ist jedoch entscheidend, dass sie sich ihrer eigenen Bedürfnisse bewusst sind und Unterstützung suchen, um mit der Belastung umzugehen.

Erarbeitung eines Selbstschutzplanes

Um die eigene Gesundheit und Wohlbefinden im Pflegeeltern-Alltag zu schützen, ist es wichtig, einen Selbstschutzplan zu entwickeln. Er kann dabei helfen, mit den Belastungen umzugehen und Resilienz zu stärken. Pflegeeltern stehen täglich vor Herausforderungen, die das Potenzial haben, emotional zu belasten und einer sekundären Traumatisierung auszusetzen. Bei der Erarbeitung eines Selbstschutzplans können die vier nachfolgenden Aspekte unterstützend sein:

  1. Ressourcenidentifikation: Welche Ressourcen können dabei helfen, vor sekundärer Traumatisierung zu schützen? Dies können sowohl persönliche als auch externe Ressourcen sein, wie zum Beispiel Hobbys, Unterstützung von Freunden und Familie oder professionelle Hilfe.
  2. Selbstfürsorge-Strategien: Die Integration von konkreten Selbstfürsorge-Strategien im Alltag, können die emotionale Gesundheit stärken. Dies kann beispielsweise regelmäßige Pausen, Meditation, Sport oder kreative Aktivitäten umfassen.
  3. Krisenmanagement: Ein vorbereiteter Umgang mit akuten Belastungssituationen ist entscheidend. Durch die Entwicklung eines Krisenmanagement-Plans können Pflegeeltern festlegen, wie sie in Fällen von Überforderung oder potenzieller Traumatisierung handeln möchten. Dies kann den Zugang zu unterstützenden Diensten oder die Kontaktaufnahme mit einem Therapeuten umfassen.
  4. Umsetzungsplan: Die Formulierung von konkreten Maßnahmen ist hilfreich, um den individuellen Selbstschutzplan effektiv in den Alltag zu integrieren. Dies beinhaltet die Festlegung von Routinen und die Identifizierung von Unterstützungspersonen, die helfen können, den Plan umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen, wie es einem geht.

Die sekundäre Traumatisierung bei Pflege- und Adoptiveltern ist eine ernstzunehmende Angelegenheit, die oft übersehen wird. Indem wir das Bewusstsein dafür schärfen und unterstützen, können wir dazu beitragen, dass Pflege- und Adoptivkinder die Hilfe erhalten, die sie benötigen, um stark zu sein und weiterhin für die Kinder da zu sein, die sie so dringend brauchen.

Hilfe und Unterstützung
Wer sich mit den Herausforderungen im Pflegekinderalltag konfrontiert sieht und nach Unterstützung sucht, dem stehen wir als erfahrene BeraterInnen und Supervisoren gerne zur Verfügung. Durch Beratung oder Supervision können wir gemeinsam individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen erkunden und konkrete Strategien entwickeln, um mit sekundärer Traumatisierung umzugehen, Selbstfürsorge zu praktizieren und Krisenmanagement-Techniken zu implementieren. Wir bieten einen sicheren Raum für offenen Austausch und unterstützen dabei, persönlichen Ressourcen zu identifizieren und zu stärken. Kontaktaufnahme unter ed.patsih@ollah

Darüber hinaus planen wir einen Online-Workshop speziell zu diesem Thema, der die Möglichkeit bieten soll, in einer Gruppe von Gleichgesinnten zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. In diesem Workshop werden wir verschiedene Aspekte der sekundären Traumatisierung bei Pflege- und Adoptiveltern behandeln und praktische Werkzeuge für den Selbstschutz erarbeiten. Wer an dem Workshop unverbindliches Interesse hat: Wir freuen uns über eine kurze Nachricht: ed.patsih@ollah

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