Trennungs- und Scheidungskinder begleiten im Kontext von Schule und Schulsozialarbeit

Die Trennung oder Scheidung der Eltern ist für Kinder und Jugendliche eine der prägendsten und oft auch schmerzlichsten Erfahrungen ihres Lebens. In einer Zeit, in der Kinder und Jugendliche ohnehin mit den Herausforderungen des Erwachsenwerdens konfrontiert sind, können familiäre Umbrüche ihre emotionale und psychische Stabilität stark beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang kommt der Schule und insbesondere der Schulsozialarbeit eine besondere Bedeutung zu. Dieser Blogbeitrag beleuchtet, wie Kinder in solchen schwierigen Phasen unterstützt werden können.

Die Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf Kinder

Kinder reagieren auf die Trennung ihrer Eltern unterschiedlich, je nach Alter, Persönlichkeit und den Umständen der Trennung. Grundlegende Prozesse sind meist:

  1. Emotionale Auswirkungen: Trauer, Verlustgefühle und Angst vor der Zukunft. Veränderungen im Selbstwertgefühl und Selbstbild. Stress und Anspannung aufgrund von Konflikten zwischen den Eltern.
  2. Verhaltensänderungen: Es kann zu Verhaltensauffälligkeiten wie Rückzug oder Aggressivität, Konzentrationsschwierigkeiten oder Leistungsabfall in der Schule kommen. Anpassungsprobleme in sozialen Beziehungen.
  3. Psychosomatische Beschwerden: Stress und Angst können sich auch körperlich äußern, zum Beispiel in Form von Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.
  4. Langfristige Auswirkungen:  Potenzielle Risiken für psychische Gesundheitsprobleme wie Depressionen oder Angststörungen. Auswirkungen auf die Entwicklung von Beziehungs- und Bindungsfähigkeiten.

Phasen der Verarbeitung

Die Verarbeitung der Trennung oder Scheidung findet bei Kindern und Jugendlichen in Phasen statt und verläuft individuell. Nicht alle Kinder und Jugendlichen durchlaufen die Phasen in derselben Reihenfolge oder mit derselben Intensität: Einige können länger in einer bestimmten Phase verweilen, während andere schneller voranschreiten. Die Kennzeichen der unterschiedlichen Phasen sind folgende:

  1. Schock und Verleugnung: In dieser ersten Phase können Kinder und Jugendliche oft schockiert sein und die Realität der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern möglicherweise nicht vollständig erfassen. Sie könnten versucht sein, die Situation zu verleugnen oder zu hoffen, dass alles wieder „normal“ wird.
  2. Emotionale Ausbrüche und Wut: Wenn die Trennung oder Scheidung realisiert wird, können Kinder und Jugendliche starke emotionale Ausbrüche erleben, einschließlich Wut, Frustration und Enttäuschung. Sie könnten ihre Gefühle gegenüber ihren Eltern oder anderen Familienmitgliedern ausdrücken.
  3. Verhandlung und Schuldzuweisung: In dieser Phase versuchen Kinder und Jugendliche möglicherweise, die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern zu verstehen, indem sie nach Gründen suchen oder versuchen, die Schuld zuzuweisen. Sie könnten sich fragen, ob sie etwas falsch gemacht haben oder ob sie die Situation hätten verhindern können.
  4. Depression und Trauer: Die Realität der Trennung oder Scheidung kann dazu führen, dass Kinder und Jugendliche eine Phase der Depression und Trauer durchlaufen, in der sie sich traurig, verloren oder einsam fühlen. Sie könnten den Verlust der familiären Einheit und ihrer bisherigen Lebensweise betrauern.
  5. Akzeptanz und Anpassung: Mit der Zeit können Kinder und Jugendliche beginnen, die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern zu akzeptieren und sich an die neue Realität anzupassen. Sie können lernen, mit ihren Emotionen umzugehen und neue Wege finden, um ihr Leben zu gestalten.

Innerhalb der Trennungsverarbeitung haben Kinder und Jugendliche unterschiedliche Bedürfnisse, basierend auf ihrem Alter, ihrer Persönlichkeit und anderen individuellen Faktoren.

Die Rolle der Schule

Die Schule ist oft der Ort, an dem Kinder und Jugendliche den größten Teil ihres Tages verbringen. Sie bietet somit eine wichtige, stabilisierende Struktur. Lehrkräfte und SchulsozialarbeiterInnen spielen dabei eine zentrale Rolle, um Kindern und Jugendlichen in dieser schwierigen Phase Unterstützung zu bieten.

1. Aufklärung und Sensibilisierung: Hilfreich ist, wenn das gesamte Schulpersonal über die Auswirkungen von Trennung und Scheidung informiert ist und sensibilisiert wird. Weiterbildungen und Workshops können dazu beitragen, das Verständnis und die Empathie zu fördern. Lehrer und Lehrerinnen sollten wissen, wie sie Anzeichen von Belastungen erkennen und wie sie angemessen reagieren können.

2. Direkte Unterstützung für Kinder und Jugendliche: SchulsozialarbeiterInnen können Schüler und Schülerinnen in Einzel- oder Gruppensitzungen helfen, ihre Gefühle zu verarbeiten und Strategien zu entwickeln, um mit der veränderten Familiensituation umzugehen. Solche Sitzungen bieten einen sicheren Raum, in dem Kinder ihre Sorgen und Ängste ausdrücken können.

3. Stärkung der Resilienz: Die Förderung von Resilienz ist entscheidend. Kinder und Jugendliche können lernen, mit Stress umzugehen und ihre inneren Stärken zu entdecken. Aktivitäten, die das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen stärken, sind hierbei besonders hilfreich.

4. Elternarbeit: Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist essenziell. SchulsozialarbeiterInnen können Eltern beraten, wie sie ihre Kinder in dieser schwierigen Zeit unterstützen können. Elternabende oder individuelle Beratungsgespräche bieten die Möglichkeit, über die Bedürfnisse und Sorgen der Kinder zu sprechen und gemeinsam Lösungswege zu finden.

5. Kooperation mit externen Fachstellen: Es kann notwendig sein, externe Fachstellen wie psychologische Beratungsstellen oder Familienberatungen einzubeziehen. SchulsozialarbeiterInnen sollten über ein Netzwerk von Unterstützungsangeboten verfügen, um Familien gezielt weitervermitteln zu können.

Praktische Tipps für den Schulalltag

  • Regelmäßige Gesprächsangebote für betroffene Kinder: sie ermöglichen eine kontinuierliche Unterstützung und Begleitung an einem sicheren Ort für die Kinder
  • Flexible Reaktionen und Anpassungen im Schulalltag: sie können den Stress für Kinder verringern, z.B. durch flexible Abgabefristen für Hausaufgaben oder temporäre Entlastung von bestimmten schulischen Pflichten
  • Peer-Unterstützung fördern: Projekte oder Peergroup-Aktivitäten können Kindern helfen, sich nicht isoliert zu fühlen und Unterstützung von Gleichaltrigen zu erhalten

Die Begleitung von Trennungs- und Scheidungskindern im schulischen Kontext erfordert Sensibilität, Verständnis und ein gut durchdachtes Unterstützungssystem. Durch gezielte Maßnahmen können Schule und Schulsozialarbeit einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass junge Kinder diese schwierige Phase ihres Lebens besser bewältigen und daraus gestärkt hervorgehen. Die Förderung emotionaler Stabilität und Resilienz ist dabei der Schlüssel zu langfristigem Wohlbefinden und schulischem Erfolg. Sicher hat diese Art der Unterstützung auch ihre Grenzen – bei all den zusätzlichen Aufgaben, die Lehrkräfte heutzutage neben dem Unterrichten haben.

In dem Online-Seminar am 15. August gehen wir darauf weiter ein. Wer Interesse an dem Seminar hat, findet hier weitere Informationen und kann sich auf unserer Homepage dazu anmelden: https://histap.de/events/begleitung-von-trennungs-und-scheidungskindern/

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